Entstehung und Entwicklung

Entstehung und Entwicklung des Dill-Sängerbundes.
Eine kleine Abhandlung über 100 Jahre des Chor- und Gesangwesens im Dillkreis

Der Gründung des Dill-Sängerbundes gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren schon Jahrzehnte vorher zahlreiche Einigungsbestrebungen in den verschiedensten deutschen Gauen vorausgegangen. So wurde schon 1831 die “Vereinigte Norddeutsche Liedertafel” gegründet. Am Würzburger Sängerfest 1845 nahmen bereits 1900 Sänger aus allen deutschen Gauen teil und am 21. September 1862 wurde in Coburg der “Deutsche Sängerbund” gegründet. 41 Sängerbünde mit 4500 Sängern schlossen sich zusammen – ein für die damalige Zeit Überwältigender Vorgang. Die deutsche Einheit ist zuerst zusammengesungen worden, längst ehe sie politisch errungen war – durch die dem deutschen Liede innewohnende Kraft. Im heimatlichen Raum schlossen sich am 30. September 1860 der “Liederkranz” Dillenburg mit noch zehn Vereinen der Städte Butzbach, Giessen, Herborn, Usingen und Wetzlar zu einer Vereinigung unter dem Namen “Deutscher Sängerbund” zusammen, aus dem dann 1863 der “Lahntal- Sängerbund” entstand.

Am 10. Januar 1897 wurde der “Dill-Sängerbund” aus der Taufe gehoben. Die Anregung ging von dem damaligen Dirigenten des MGV “Liederkranz Dillenburg”, Dr. C. Dönges aus. Mitbegründer waren Louis Stremmel, Dillenburg, der auch den 1. Vorsitz übernahm und Hauptlehrer a.D. Weber, Sinn, dem das Amt des Bundesdirigenten übertragen wurde. Die Sängerbewegung wurde nun immer stärker und stärker. In den kleinsten Dörfern entstanden Chöre und nationale Wettstreite, Sängerfeste, Fahnenweihen, Wertungssingen und dergleichen wechselten in bunter Reihenfolge ab. Manche Siegestrophäe wurde in Gestalt von Pokalen, Ölgemälden usw. mit Begeisterung nach Hause gebracht.

Dann kam der 1. Weltkrieg. Durch Einziehung zum Kriegsdienst blieb nur ein kleiner Teil der Sänger zurück. Bei vielen Chören musste die Probenarbeit eingestellt werden, und eine ganze Reihe von Sängern blieb in Feindesland. Die Zurückgekehrten aber spürten die Verpflichtung, im Dienst für die Allgemeinheit ihre Arbeit wieder aufzunehmen. In den zwanziger Jahren setzte eine große Blütezeit ein, die an manchen Orten bis zu drei Vereine (Niederscheld ca. 10 Prozent der Bevölkerung mit über 200 Sängern, alte und neue Concordia, Orpheus ) in Dillenburg sogar vier Chöre: Liederkranz, Orpheus, Volkschor, Quartett, in die Chorreihen brachte.

Inzwischen hatte in der Männerchorliteratur eine negative Stilwandlung eingesetzt. Eine bereits um 1800 einsetzende Popularitätsliteratur, die in eine feststehende Phraseologie der ewig vierstimmigen “Liedertafel” ausartete. Die Vergrößerung der Männerchöre und der durch gesteigertes Können wachsende Ehrgeiz haben dann zu einer vorübergehenden Sonderentwicklung bei Friedrich Hegar geführt, dessen Schule man auch Rudolf Buck, Mathieu Neumann und Karl Kämpf zuzählen darf: zu einer virtuosen Historienmalerei auf dem Konzertpodium und den in ihrem Werk stark umstrittenen Wettstreiten. Neben den monumentalen Chorwerken Hegars, “Totenvolk”, “Schlafwandel”, “Rudolf von Werdenberg” u.a. erklangen im süßlichen Falset minderwertige Kinder- und Volksliedbearbeitungen, die den Männerchor in eine zwielichtige Stellung brachten, bis Musikgelehrte, wie R. v. Liliencron, H. Kretzschmar und Max Friedländer lehrten, dass das Volkslied auch aus einer anderen, als nur der Silcherschen Blickrichtung betrachtet und bearbeitet werden kann. Diese Erfahrung ist alsbald durch die um 1890 Geborenen, die sich zunächst Jugendbewegung nannten, unmittelbar musikalisch und menschlich erlebt worden. Man eroberte sich Schritt für Schritt die alte A-cappella- Literatur der Ecchard, Haßler, Lasso, Schein, Senfl und Isaak. Durch Fritz J öde und Walter Hensel wurde diese Besitz vieler Laiensingkreise. Diese Wiedererweckung wahren Liedgutes gehört zu den klaren Zeichen einer liedschöpferischen Verjüngungskraft, die das deutsche Lied wieder einer neuen Blütezeit entgegenführte und noch führt. Groß ist die Zahl der Schaffenden, die uns Gutes und Wertvolles schenken. Nur einige Namen seien genannt: Willi Sendt, Bruno Stürmer, Hans Lang, Walter Rein, Bernhard Weber, Paul Zoll, Hermann Erdien und viele andere.

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